Bobrujsk liegt im Südosten von Belarus an der Beresina, umgeben von Agrarlandschaft, Seen und Wäldern. Die Stadt mit seinen ca. 220'000 Einwohner ist die drittgrösste Stadt in Belarus (ca. 9.5 Millionen Einwohner), einem Land, in dem infolge von u.a. Stalin, Hitler und Tschernobyl ein Trauma in ein anderes übergeht. Historiker nennen es "Bloodlands".
Die Stadt hat eine bewegte und traurige Geschichte. Vor 1944 waren die Einwohner zu ca. 60% Juden. Heute sind sie eine sehr kleine Minderheit. Einige alte Bauten erinnern an diese prosperierende, vergangene Zeit. Die Stadt ist gewachsen, Plattenbausiedlungen mit modernen Einkaufszentren prägen das Stadtbild und das grösste Reifen- und Traktorenwerk von Belarus sowie eine moderne Fleischverarbeitungsfabrik bieten vielen Bewohnern einen Arbeitsplatz.
Während einer unserer Besuche bei der jüdischen Gemeinde «Rachamim» im Jahre 2010 lernten wir die dortige Tischtennismannschaft kennen, deren Mitglieder aus Jugendlichen mit Down-Syndrom bestand. Die Mannschaft hatte an den Paralympischen Sommerspielen 2008 in Peking eine Medaille gewonnen und wurde bis anhin von einem bekannten belarussischen Tischtennisspieler trainiert. Nachdem man uns mitteilte, dass das Geld für den Trainer nicht mehr zur Verfügung stünde, hat Lifeline spontan diese Kosten übernommen.
Dieses Erlebnisses sensibilisierte uns für die grossen Probleme in Belarus. Wenige Monate später besuchten zusammen wir mit einem befreundeten Kinderarzt aus Österreich eine grosse Anzahl von Jugendlichen mit schweren Behinderungen. Schnell wurde uns klar, dass diesen Jugendlichen, die meist ohne jeglichen sozialen Kontakt zur Aussenwelt und ohne medizinische und therapeutische Betreuung ein armseliges Leben in ihren vier Wänden fristen, geholfen werden muss. Die Idee einer Tagesstätte, in welcher sich die Jugendlichen unter fachlicher Betreuung treffen, kommunizieren und spielen können und gleichzeitig ihre Eltern für ein paar Stunden von der Fürsorge entlastet werde, wurde geboren.
Nach vielen Treffen mit den Behörden auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene wurde die Tagesstätte schliesslich am 28. Juni 2019 in Anwesenheit der belarussischen Politik und Medien sowie von Vertretern von Lifeline feierlich eröffnet, hier der Bericht des belarussischen Staatsfernsehens: https://www.youtube.com/watch?v=4o377FyYK1o.
Unsere Tagesstätte – bei vielen auch "Warmes Haus" genannt – ist für 30 Jugendliche konzipiert und täglich geöffnet. Sie bietet schwerst behinderten Jugendlichen die Möglichkeit aus ihrer Isolation für einige Stunden auszubrechen und unter fachlicher Betreuung, soweit möglich, therapeutische Massnahmen zu erhalten. Gleichzeitig sollen die Eltern von der stetigen Aufsicht ihrer Kinder entlastet werden.